Ipads statt Aktenordner – Umstellung auf digitale Gremienarbeit beschlossen.

„Die Stadt Wedel führt ab dem Jahr 2018 den digitalen Sitzungsdienst mit mobilen Endgeräten ein.“

So beginnt der erste Absatz der in der gestrigen Ratssitzung angenommenen Beschlussvorlage.

Damit folgt Wedel dem Trend der Zukunft und versucht den massiven Papierstapel, der mit jeder Sitzung an die einzelnem Rats- und Gremienmitglieder verschickt wird einzudämmen.

Ein genannter Hauptgrund für die Umstellung sind die hohen Papierkosten:

Laut Beschlussvorlage gibt die Stadt jährlich aktuell 40.860 € für die Bereitstellung von Papierunterlagen aus. Hinzu kommen Versandkosten von gut 6.200 €.

Von der Umstellung auf digitale Ratsunterlagen erhofft sich die Stadtverwaltung Einsparungen von 35.000 Euro im Jahr. Über die kommenden 5 Jahre der nächsten Legislatur rechnet man dadurch mit einen eingesparten Betrag von insgesamt 175.000 €.

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Die Einladung für die letzte Ratsversammlung vom 20.7.2017 kam mit 120 beidseitig bedruckten Seiten auf stolze 590 Gramm Gewicht. Und das ist nur der öffentliche Teil!

Neuer Rat, neue Technik!

Ab dem 1.6.2018 soll der Sitzungsdienst dann digital stattfinden. Dafür soll jedem Ratsmitglied und bürgerlischem Ausschussmitglied ein Tablet-PC zur Verfügung gestellt werden. Der Zeitraum bis zum Jahresende 2018 wird dabei als Umstellungs- und Probezeit für das neue System gesehen.

Für die Bereitstellung der Endgeräte hat der Beig-Verlag zwei Angebote unterbreitet, die sich vor allem darin unterscheiden, ob die im aktuellen Angebot enthaltenen Ipads nur ortsgebunden über WLAN-Verwindung oder über Sim-Karte wie Smartphones ortsunabhängig auf das Internet zugreifen können. Die Kosten für die Stadt lägen für die angestrebten 5 Jahre bei 33.432 € oder 40.432 € in der zweiten Variante.

Hinzu kommen noch einmalige Kosten für die entsprechende Verwaltungssoftware (6025 €), jährliche Wartungskosten (jährl. 1456 €) sowie Schulungskosten (4522 €).

Grob zusammengerechnet sind für die kommenden 5 Jahre also Gesamtkosten von 60.000 € in der Beschlussvorlage angesetzt (W-B’s eigene Schätzung aus den vorgelegten Zahlen). Gegen die aktuellen genannten Ausgaben von jährlich 47.060 € für Drucksachen und Versand gerechnet soll sich dadurch die angestrebte Ersparnis von 175.000 € über die nächsten 5 Jahren ergeben.

Alle Fraktionen waren grundsätzlich für die Umstellung.
Der Zeitgeist geht an niemandem vorbei und so herrschte allgemeiner Konsens darüber, das auch Wedel sich die Vorteile moderner Technik endlich zunutze machen sollte. Nur über den passenden Zeitpunkt und die vorgelegten Zahlen war man sich zwischen den Fraktionen noch nicht einig.

Vor allem Michael Kissig (CDU) sprach sich zugunsten der Stadtverwaltung deutlich für die Digitalisierung aus. Er begrüßte vor allem eine Abkehr von der seiner Meinung nach dezentralisierten Organisation der Gremien und begrüßte eine klare Neustrukturierung, die er mit den zukünftig genutzten Programmen als gegeben sieht. Jedoch gab er unter manch Schmunzeln der Ratsmitglieder zu:
„Politiker werden immer auch ältere Leute sein, die Einarbeitungszeit brauchen“.


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Eine öffentliche Einladung zur letzten Ratssitzung im Vergleich mit einem kompletten Paket Druckerpapier.  Und natürlich sind die Inhalte nicht nur für die Ratssitzung, sondern auch zuvor schon für die einzelnen Ausschüsse mit den Einladungen gedruckt und verschickt worden. Ein Großteil der diesmal relativ massiven Einladung besteht übrigens aus dem Jahresabschluss der Stadtwerke, dem Bebauungsplan Hafenkopf und der geänderten Satzung der Stadtsparkasse Wedel,  über die in der Ratsversammlung ebenfalls abgestimmt wurden.

Gegenstimmen kamen vor allem zum jetzigen Einführungszeitpunkt und wegen noch zu klärender Fragen, vor allem von den GRÜNEN:

Wie schon im Planungsausschuss stellt Olaf Wuttke einen Vertagungsantrag. Die Grünen möchten die Entscheidung über die Digitalisierung lieber den zukünftigen Ratsvertretern überlassen, die nach der kommenden Kommunalwahl ab dem Mai 2018 den Rat besetzen.

Außerdem sahen die Grünen außerdem noch zu viele Fragen zur Umstellung nicht ausreichend beantwortet. Zudem seien viele neue Fragen aufgekommen, die vor der Abstimmung geklärt werden müssen, unter anderem ob die geplanten 70 Endgeräte wirklich für alle Berechtigten ausreichen und auf welchen Annahmen die prognostizierten Kosten liegen werden. Mit einem Antrag versuchten die Grünen, eine detailliertere Erklärung zu erwirken, auf welche Art der Kostenvorteil erwirtschaftet werden soll (Abgelehnt: (12 Ja-, 15 Nein-Stimmen)).

Bei der SPD gab es von Lothar Barop ebenfalls einige Bedenken bezüglich der tatsächlich benötigten Menge der Geräte. Genau wie die LINKE ist man auch von der tatsächlichen Kosteneinsparung noch nicht überzeugt gewesen.

Die FDP betont noch einmal, dass der Übergang zur elektronischen Variante freiwillig geschehen muss und es definitiv eine gewisse Einarbeitungszeit braucht, bis jeder damit reibungslos arbeiten kann.

Auch Bürgermeister Niels Schmidt gab zu:
„Ich arbeite eigentlich auch lieber mit Papier“. Er bekräftigte die Beschlussvorlage aber damit, dass der Zeitpunkt für eine Umstellung gerade jetzt optimal sei. Zu einem späteren Zeitpunkt würde der Wechsel durch gegebene Planung und Auslastung der IT-Abteilung der Stadtverwaltung erheblich länger dauern. Zudem betont er das große Einsparpotential beim vorliegenden Angebot des Beig-Verlages.

Die GRÜNE Petra Kärgel warf zuletzt die ungeklärte Frage nach der Ökologischen Bilanz auf und erklärte in ziemlicher Deutlichkeit, unter welchen Maßstäben und mit welchem Materialbedarf die IPads in anderen Ländern produziert werden.

Der Stadtentdecker dazu:

Die Argumentation der Grünen und das Ansinnen, dem nächsten Stadtrat nicht vorzuschreiben wie und mit was er zu arbeiten hat ist verständlich. Die Strategie, die im Haupt- und Finanzausschuss abgelehnte Vertagung durch viele offene Fragen doch noch zu erreichen war geschickt – allerdings wurde dies auch durch Michael Kissig (CDU) schnell entlarvt.

Bei Kaufentscheidungen auf den Ökologischen Fußabdruck und die bei Apple ja nicht gerade menschenwürdigen Produktionsbedingungen zu achten ist in meinem Augen sehr wichtig – aber hier wirkte das Ansinnen leider etwas aufgesetzt. Dennoch ein Punkt, bei dem sich die neue Klimaschutzbeauftragte bei den weiteren Schritten zur Umsetzung mit einbringen kann.

Teilweise gibt es aber wirklich noch einige offene Fragen zu klären – und auch die Umstellung auf ein komplett „Papierloses Büro“ hat sich eigentlich immer als utopisch herausgestellt. Irgendwo wird es eben immer noch Papierarbeit geben.
Auch ob sich, wie die LINKE nachhakt, wirklich eine dauerhafte Kostenersparnis ergibt, wie als Ziel der Maßnahme genannt wird, wird sich wohl erst zeigen wenn es wirklich soweit ist.
Aber irgendwann muss man mit so einem Projekt ja mal beginnen und es sieht nach einem guten Start aus..

Das Angebot des Beig-Verlages scheint jedenfalls gut. Sofern es bei den tatsächlich prognostizierten Kosten bleibt, natürlich. In den Folgejahren könnte der Verlag aber möglicherweise beschließen teurere Preise pro Legislaturperiode nehmen – da Wedel dann auf die entsprechende Infrastruktur festgelegt ist, würde ein Wechsel dann wieder Kosten verursachen. (Der Beig-Verlag ist eine Tochter der Medien Holding: Nord GmbH bringt unter anderem das Wedel-Schulauer Tageblatt und sechs weitere Zeitungen im Umkreis Pinneberg heraus). Die Stadtverwaltung muss eben sicherstellen, das die Kosten für die Stadt auch in Zukunft absehbar bleiben.  Ansonsten spricht sehr vieles für eine der vorliegenden Möglichkeiten.

Dem nächsten Stadtrat ‚vorzuschreiben‘, mit welchen Methoden sie arbeiten sollen mag dabei vielleicht nicht jedem gefallen. Andererseits kann der nächste Rat dann aber gleich mit dem neuen System seine Arbeit aufnehmen, ohne in der eigenen Einarbeitungszeit zusätzlich noch eine langwierige technische Umstellungsphase durchzumachen.

Dass die Rats- und Gremienmitglieder trotzdem noch zwischen Papier- und Digitalvariante entscheiden können sollen ist für unerfahrenere Nutzer ein deutliches Entgegenkommen. Auch die Gäste der Sitzung sind häufig ältere Generationen, die auf die ausgelegten Tagesordnungen in Papierform angewiesen sind. Allerdings wird dadurch natürlich die erhoffte Einsparung etwas geschmälert.

Auf jeden Fall wird die Digitalisierung den gewaltigen Papierstapel, der in jeder Sitzung anfällt eindämmen. Zeit wird es: Wedel ist laut Stadtverwaltung nicht nur die einzige Kommune im Kreis Pinneberg, deren Gremien momentan noch nicht digital arbeiten – sondern auch die einzige unter den Mittelstädten Schleswig-Holsteins.

Die Umstellung zu beschließen war der richtige Schritt:
Die Zukunft wird überall digital – Das ist eben so.
Natürlich wird es wie bei solchen Projekten unumgänglich eine gewisse Eingewöhnungszeit und ein paar Startschwierigkeiten geben – Das ist eben auch so.
Aber am Ende sollte es die Sache wert sein.

Der Beschlussvorschlag, die Gremienarbeit zukünftig Digital (mit der Option zur weiteren, bisherigen Papiernutzung) zu handhaben wurde mit 16 Ja-, 6 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen angenommen.

Im Ratssaal wird es im nächsten Jahr digital!

Ab in die Matrix!
Demnächst also besser nicht vergessen,
den Kasten in der Sitzung auf „Lautlos“ zu stellen!

 


Bastian Sue,
der Löwenseelenkater


Übrigens:

Auch der Wedel-Blog nutzt als Gast in den Sitzungen in den meisten Fällen bereits die elektronische Variante der Tagesordnung auf dem Smartphone. Leider fehlen dort allerdings oft die noch kurzfristig eingereichten Anträge der Fraktionen.

Zu finden sind die PDF-Dateien der Einladungen
im Online-Sitzungskalender von Wedel:

Link: Sitzungskalender


 

 

 

 

 

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