Die Idee war neu und interessant:
Manfred Fenn, 67 und aus dem Nachbarort Holm, schlägt vor, dass die Schiffsbegrüßungsanlage an Willkommhöft zusätzlich zu der Herkunft und den Daten bedeutender Schiffe auch auf den Co2-Ausstoß Bezug nimmt.
(Abendblatt-Artikel dazu hier: LINK)
In diesem Blog-Beitrag wird nicht auf die Umsetzbarkeit oder Sinnhaftigkeit des Vorschlags eingegangen – das ist jedem selbst überlassen. Aber der aggressive Umgang vieler Personen damit ist beachtenswert:
Die Reaktionen auf den Abendblatt-Artikel waren heftig und kamen größtenteils auf eine sehr ekelhafte Art: Klimawandelleugner, Wutbürger und personifizierter Trotz versammelten sich in Form von Sarkasmus, Beleidigungen oder gar Anfeindungen den Kommentarspalten. Fast harmlos scheint dagegen schon der gelangweilte Spott, der von einigen Einwohnern zu lesen war, die vor einigen Wochen noch das Ausrufen des Klimanotstandes begrüßt haben.
Und dann gibt es die leeren Profile, die nicht müde werden, Meinungen zu haben. Manchmal erkennt man Social-Media-Bots einfach schon an dem Inhalt ihrer Kommentare, ansonsten reicht meist auch ein Blick auf ihre Profilseiten. Dazu scheinen nur ein Teil der vielen Reaktionen überhaupt aus Wedel zu kommen.
Wie müde muss man im Kopf sein:
Da kommt jemand mit einer Idee, wie man die Öffentlichkeit auf die Problematik der Schiffsemissionen aufmerksam machen kann. Ganz gleich, ob diese Idee nun im Endeffekt praktikabel ist oder nicht, hat sich dieser Mensch Gedanken darüber gemacht. Vermutlich weitaus mehr als diejenigen, die ihn nun deshalb persönlich angreifen.
Wenn ihre Gegner denn wenigstens Gründe gegen die vorgebrachte Idee nennen würden, könnte sich daraus noch eine interessante Diskussion ergeben, die für genau das öffentliche Bewusstsein über die Schiffsemissionen sorgen kann, die das Vorhaben schließlich bezwecken solle. Doch in den vielen negativen Reaktionen gibt es so gut wie keine Argumente.
Es wird gepoltert um des Polterns willen.
Unweigerlich denkt man an das Klischee von einer Bande von Schulschlägern, die andere Kinder verprügeln, nur weil sie im Unterricht aufpassen und aktiv mitarbeiten möchten: „Kreative Ideen? Veränderung? Freiwillige Mitarbeit? Verschwinde bloß, du Nerd!“
Der Vergleich mit den Schulrowdies hinkt natürlich ein wenig:
Die mutmaßlichen Social-Media-Bots haben natürlich nie eine Schule gesehen. Und bei dem Großteil der ‚echten‘ Polterer ist es üblicherweise eine ganze Weile her: Kaum einer derer scheint jüngeren Generation anzugehören.
Die echten, jungen Wedeler Schüler, auch durch das rege Engagement für Fridays for Future, sind wahrscheinlich überwiegend sehr viel offener für frische Ideen zur Umsetzung des Klimanotstandes, als diejenigen, die ihre Schulzeit längst hinter sich gelassen haben.
Löwenseelenkaters Senf:
Wer eine Idee oder ein Vorhaben beurteilt, sollte dies auch mit Argumenten tun. Das scheinen online leider viele zu vergessen, egal, wie man zu dem eigentlichen Thema steht.
Natürlich, man muss nicht jede Idee gut finden und sollte sich dann dazu äußern. Aber dann sollte man auch Argumente zur eigenen Position haben. In Zeiten der sozialen Medien scheint es vielen „Polterern“ einfacher zu fallen, die Person dahinter anzugreifen, anstatt sich mit einem Vorschlag ernsthaft auseinanderzusetzen.
Der nächste, der mit Vorschlägen zum Umsetzen des Klimanotstandes kommt, wird es sich auch an die jetzigen Reaktionen erinnern. Hoffentlich findet er dann trotzdem die Courage, sie vorzubringen.
Im Namen des Umweltschutzes habe ich übrigens das gemeinsame Gespräch mit Herr Fenn und einem unserer ehrenamtlichen Politiker gesucht, um mit ihm über eine andere Idee in derselben Richtung zu sprechen.
Falls ich deshalb nun die „Wedeler Online-Schulschläger“ zu erwarten habe, bin ich vorbereitet:
Mein Pausenbrot-Geld ist längst ausgegeben.
Größtenteils für Produkte aus der Region.
Euer Bastian Sue,
der Löwenseelenkater
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typisch deutsch: ein Populist mehr, der mal in die Zeitung will. Bei aller Liebe zu sauberer Umwelt: die Schiffsbegrüßungsanlage ist ein freundschaftlicher Gruß an fremde Seeleute und keine Kritik an Umweltverpestung.
Das ist als wenn man einen entfernten Freund herzlich begrüßt und ihm dann direkt um die Ohren haut, das er stinkt. Der kommt nie wieder, ganz sicher. Der ist spontan beleidigt, egal ob er wirklich stinkt oder nicht. Wenn er noch nachdenkt sagt er vielleicht: typisch deutsch, mit denen kann man sich nicht befreunden, die haben immer irgendwas zu meckern.
:o(
Gute Idee von Manfred!
Begrüßung der Schiffe und Aufklärung über deren CO2 Ausstoß ist zwar erstmal ungewöhnlich, würde aber bewusst machen, welchen Anteil besonders die Kreuzfahrtschiffe an der Umweltzerstörung haben. Leider wollen viele gar nicht wissen, welche Gifte auf sie niederregnen. Dann wird in einer Übersprungshandlung der angegriffen, der ihnen die müden Augen öffnet.
Zuerst einmal: „Klimaleugner“ ist ein Propagandabegriff aus der untersten Schublade, angelehnt an den Holocaustleugner. Wer solche Begriffe benutzt sagt damit vor allem eins: an inhaltlichen Austausch ist er nicht interessiert.
Aber kurz zum Thema. Das Problem bei der Schiffahrt ist nicht der CO2-Ausstoß; im Gegenteil, sie sparen uns jede Menge CO2-Ausstoß ein. Warum? Weil wir ansonsten Züge, LKWs oder Flugzeuge benutzen müssten, um Güter zu transportieren und das braucht mehr Energie. Ein Blick gefällig?
https://www.forschungsinformationssystem.de/servlet/is/334495/CO2%20pro%20Tonnenkilometer.PNG
Das ist CO2 pro Tonnenkilometer, also um eine Tonne Nutzlast einen Kilometer weit zu bewegen. Wer will hier die Schifffahrt bekämpfen, damit die Container dann aus China per Zug, LKW oder Flugzeug kommen und ein vielfaches an Energie verbrauchen? Im Sinne der CO2-Thematik wäre es also angebracht, bei jedem einlaufenden Schiff dazu zu sagen, wieviel CO2 es einspart.
Den CO2-Ausstoß also zu betonen und hier eine Art Schifffahrts-Shaming zu etablieren wäre vergleichbar damit, die Menschen am S-Bahnhof damit zu belästigen, dass jeder Zug CO2-Ausstoß bedeutet. Denn was wäre die Folge des Anprangerns, des An-Den-Pranger-Stellens? Natürlich nicht, dass die Menschen sich gar nicht mehr fortbewegen, sondern dass die von der S-Bahn wieder auf’s Auto umsteigen, das eine weit schlechtere Öko-Bilanz hat.
Muss man das wissen? Nein, natürlich nicht, aber man kann, und man sollte, wenn man behauptet, sich mit dem Thema zu beschäftigen oder beschäftigt zu haben.
Was ist das ernsthaftere Problem der Schifffahrt? Andere Emissionen, zum Beispiel Stickoxide und Schwefeloxide, die Verklappung von Schweröl und so weiter. Darüber sollte man reden (und tut es auch, aber glücklicherweise nicht vor allem am Stammtisch) und dafür werden Lösungen gesucht und implementiert. Spät zwar, aber immerhin. Aufregung über CO2-Emissionen sind hierbei fehl am Platze, weil sie ablenken und verwirren.
Und dann noch ganz allgemein zum Thema „wir müssen jeden Lebensbereich politisieren, es darf keine Rückzugszone geben“. Da bin ich entschieden anderer Meinung.
Menschen haben das Recht, ganz unbeschwert zusammenzusitzen, Kaffee zu trinken, ein Stück Kuchen zu essen, zu scherzen und mit Freunden zusammenzusitzen OHNE dabei alle fünf Minuten mit dem Waldsterben, der Umweltverschmutzung, der Staatspleite oder den neuesten Nachrichten aus Hong-Kong belästigt zu werden. Wer nicht ertragen kann, dass andere unbeschwerte Momente genießen, der sollte um Hilfe bitten. Nicht dabei, wie er anderen das Leben vermiesen kann, sondern dabei, wie er in seinem Leben wieder eine Perspektive findet, die es lebenswert macht.
Wer 24/7 an nichts anderes Denken will als den Klimawandel, die Überfremdung, die bevorstehende KI-Revolution oder den Zorn der Götter, der sich bald entladen werde, dem sei das erlaubt. Es sei dem Rest bitte auch erlaubt, nicht überall von diesen unangenehmen Zeitgenossen belästigt zu werden.
Hallo Simon,
vielen Dank für das ausführliche Feedback. Genau für solche Diskussionen und differenzierten Betrachtungsweisen habe ich den Block damals erstellt!
An einem Austausch bin ich immer interessiert – dazu gehört natürlich allerdings auch, dass zu einer Idee mehr als „Du bist blöd!“ an Argumenten kommt, über die man auch diskutieren kann – das ist ja mein eigentlicher Kritikpunkt an den Reaktionen darauf.
Was du schreibst ist genau das fundierte, begründete Feedback, was ich mir für Vorschläge wie den von Herrn Fenn wünsche. Egal, ob man ihnen zustimmt oder nicht.
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In einem Punkt gebe ich dir übrigens absolut recht:
Frachtschiffe sind zwar oft wahre Dreckschleudern, aber immer noch eine erheblich umweltfreundlichere Lösung, als der Warentransport per LKW oder gar Flugzeug. In dem Sinne sind sie momentan tatsächlich noch das kleinere Übel, auch wenn die anderen Emissionen, wie sie ja schon ansprechen, natürlich ein Problem sind.
Wo ich persönlich allerdings klaren Handlungsbedarf sehe, wäre die Belastung durch Kreuzfahrtschiffe wie beispielsweise die aus mir völlig unverständlichen Gründen von einigen Hafenfans so gefeierte AIDA. Diese Dinger sind wahre Klimakiller und erfüllen dabei keinen wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Zweck.
Für mich müssen Kreuzfahrten, im Gegensatz zu Frachtschiffen, endlich gesellschaftlich richtig peinlich werden, ebenso wie SUVs.
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Einen anderen Punkt sehe ich allerdings völlig anders als du:
Wir müssen natürlich nicht in jedem Lebensbereich polarisieren, das stimmt. Aber wir sollten uns in jedem Lebensbereich über die Probleme bewusst werden und nach Möglichkeiten suchen, was wir tun könnten. Die Zeiten, in denen wir erst mal an den schlimmsten Ecken anfangen müssten haben wir verpasst – jetzt müssen wir überall handeln, wenn wir noch eine Chance haben wollen. Und dazu gehört auch, überall nach möglichen Ideen und Maßnahmen zu suchen..
Herr Fenns Idee ist interessant, mal etwas neues, aber selbstverständlich nicht optimal.
In der Umsetzung schwierig und man kann darüber diskutieren, ob sie mit den Schiffen auf das richtige Ziel gerichtet ist. Mein Blogbeitrag soll darüber auch nicht urteilen, sondern sich mit dem Umgang mit denen beschäftigen, die den Mut haben, ihre Ideen vorzubringen.
Und neue Ideen zu wagen und ins Gespräch zu bringen – das dürfen wir meiner Meinung nach nicht verurteilen.
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Ich bin gespannt, wie du meinen Vorschlag, für den ich demnächst hoffentlich auch Herr Fenn und die Politik gewinnen kann, betrachten wirst. Er ist ein wenig einfacher und harmloser, aber möglicherweise auch nach deinem Geschmack. Ich werde dann darüber berichten und würde mich dann über ein Feedback von dir dazu freuen.
mit freundlichen Grüßen,
Bastian Sue,
der Löwenseelenkater