Die Drohbriefe Ende August gingen an viele:
Stadtverwaltung, Medien, Polizei, sowie an mehrere Ratsfraktionen. Ebenso gingen sie. an Vereine und Einzelpersonen, vor allem jene, die sich für Integration und Flüchtlingshilfe eingesetzt haben.
Der Inhalt ist an Hass nicht zu überbieten.
Im Namen der militanten Neonazi-Organisation Combat 18 fordert der Absender „deutschblütige Jugendliche“ vor Übergriffen „ausländischer und nicht deutschblütiger Menschen“ zu schützen. Was dann folgt sind die typischen Schlagworte aus den Parolen der Rechtsextremisten und aus verschworenen Zirkeln, die längst jeden Bezug zur Wirklichkeit verloren haben. Von zersetzender Willkür der Politik wird darin geschrieben, vom „nationalbewussten Mann“ aus dem deutschen Volke, der darunter leidet.
Das Schreiben ist ein Zeugnis einer 80 Jahre alten Weltanschauung: Veraltet, realitätsfern und vom Hass zerfressen.
Fast möchte man über dieses absurde Weltbild lachen, wenn da nicht die schreckliche Bluttat in Halle wäre, die keine zwei Wochen nach dem Empfang der Briefe passierte. Wenn man nicht wüsste, dass es Leute gibt, die tatsächlich solchen Gedanken folgen und zu so etwas tatsächlich in der Lage sind, man könnte es für eine Parodie halten, das Paradestück eines Power-Rangers-Schurken:
„Exempel“ sollen demnach statuiert werden, hier in Wedel.
Doch was in diesen Briefen steht, unterstrichen vom Combat18-Logo, ist keine Drohung mehr – Es ist die Ankündigung von rechtem Terror.
Andererseits ist es aber auch nur ein Brief, der ebenso von einem Trittbrettfahrer stammen könnte. Momentan geht man allgemein von einer inhaltsleeren Drohung aus, die Wedel im wahrsten Sinne des Wortes aufschrecken sollte.
Wie geht man mit damit richtig um?
Die Entscheidung, die Briefe zu verschweigen, war unter den Betroffenen nicht Einstimmig. Trotzdem hatte man sich mehrheitlich darauf geeinigt. Damit sollte die Aufmerksamkeit vermieden werden, die sich der Absender zweifelsfrei erhofft hat. Statt öffentlicher Stellungnahmen wurde von allen Betroffenen Anzeige erstattet und die Sache wurde keineswegs auf sich beruhen gelassen, sondern ohne Mitteilungen nach Außen untersucht. Durchaus ein richtiger Ansatzpunkt, aber dann auch wieder nicht:
Eine rechte Terrordrohung – und als nichts anderes sind diese Briefe, selbst wenn momentan alles für einen Trittbrettfahrer spricht – zu verschweigen, bedeutet in den Augen anderer wiederum, ein gesellschaftliches Problem zu verschweigen.
Dadurch, dass die Existenz der Briefe nachträglich nun doch bekannt geworden ist, passierte etwas, das die öffentliche Bekanntgabe einer Drohung möglicherweise auf andere Art bewirkt hätte. Verschiedene Aktionsgruppen, Antifaschistische Initiativen und Portale aus dem Kreis Pinneberg und Hamburg haben in Wedel zur Demonstration gegen Rechts aufgerufen. Gegen Faschisten, gegen rassistische Drohungen, die AfD als deren politisches Sprachrohr – nun war die Kundgebung aber auch gegen das Verschweigen gerichtet.
Unter dem Motto „Das Schweigen brechen – Rassismus und rechten Terror bekämpfen“ fand am gestrigen Montag eine Demonstration in Wedel statt.
Geschätzte 200 Teilnehmer, neben Wedelern auch viele Unterstützer aus dem Kreis Pinneberg und Hamburg , protestierten zwar lautstark, aber absolut friedlich vor dem Rathaus. Anschließend zog man durch die Bahnhofstraße, Rudolf-Breitscheid-Straße und dann die B431.
Eine Anmerkung vom Löwenseelenkater
Dem Wedel-Blog sind die Drohbriefe ebenfalls vor einer Weile über Dritte zugespielt worden und ich habe dazu recherchiert.
Schon bei der ersten Nachfrage dazu erfuhr ich, dass sich die Betroffenen darauf geeinigt hatten, darüber nicht öffentlich sprechen zu wollen. Daher habe ich mich dazu entschieden, dieser gemeinsamen Entscheidung nicht in den Rücken zu fallen. Natürlich fordert und steht der Blog für politische Transparenz, doch die Angelegenheit gegen den Wunsch der Bedrohten öffentlich zu thematisieren konnte dieses Portal nicht erzwingen – zumal auch Privatpersonen unter den Empfängern waren. Daher gab auch ich für den Blog die Zusage, diese Entscheidung zu respektieren, solange die Briefe nicht auf anderem Wege öffentlich bekannt gemacht wurden.
Nachdem dies durch die Demonstration inzwischen auf diese Art der Fall geworden ist, betrachte ich einen vernünftigen, offenen Umgang damit als notwendig.
Der Brief liegt dem Wedel-Blog vor.
Inhaltliche Fragen dürfen gestellt werden, der Eindruck, dass es sich nur um einen Trittbrettfahrer handelt ist deutlich. Es werden dennoch keine Kopien oder Textpassagen herausgegeben. Fragen zu den Empfängern werden grundsätzlich nicht beantwortet.
Die richtige, falsche Entscheidung
War es richtig, die Briefe zu verschweigen?
Ja. Und nein.
Der Absender wollte Aufmerksamkeit, und man war nicht bereit, ihm diese zu geben. Er hätte sich bestärkt gefühlt, womöglich sogar weitere Rechte in Wedel hätten sich in ihrer Meinung bestärkt gefühlt. Andererseits hat das Schweigen durch das spätere Aufdecken der Drohungen nun bei manchen den Eindruck erweckt, die Stadt habe etwas vertuschen wollen und zu einer Demonstration und der Aufmerksamkeit für den Absender geführt, die bei offener Kommunikation vielleicht zu vermeiden gewesen wäre.
Richtig war die Entscheidung, dem überwiegenden Wunsch der Betroffenen nach einem diskreten Umgang damit zu folgen.
War es richtig, eine öffentliche Auseinandersetzung über eine Demonstration zu fordern?
Ja. Und nein.
Die Demonstration richtete sich gegen Rechts. Man wollte ein Zeichen setzen, dass man keine Rechte Bedrohung toleriert, dass man bereit ist, ihr überall zu begegnen, auch in Wedel. Andererseits ist genau das etwas, das der Absender möglicherweise provozieren wollte. Negativ war die Protestaktion vor dem Rathaus trotzdem nicht, denn sie hat ein klares Zeichen gesetzt: Hier ist kein Platz für Combat 18 oder Trittbrettfahrer, hier ist kein Platz für rechte Drohungen – und es sind Leute bereit, für die Verteidigung der Demokratie auf die Straße zu gehen.
Richtig war diese Demonstration, um ein Zeichen zu setzen und kein Wegsehen bei rechten Bedrohungen zu tolerieren.
Eine perfekte Lösung gibt es nicht.
Es war richtig, die Angelegenheit nicht bedeutsamer zu machen als sie ist und solange es keine näheren Erkenntnisse dazu gibt, ist alles andere reine Spekulation. Ein einzelner Dreizeiler, „Es gab Drohbriefe gegen einige Institutionen der Stadt, aus Ermittlungsgründen und dem Opferschutz werden jedoch keine Details darüber genannt“ hätten gewiss den Eindruck vermieden, es sei etwas aktiv verheimlich worden. Oder genau das hätte diesen Eindruck auch noch angeheizt. Man weiß es nicht – Hinterher ist man ja immer schlauer.
Eine Aussprache darüber täte Wedel wahrscheinlich gut, auf der nächsten Einwohnerversammlung werden gewiss auch dazu Fragen kommen.
Man darf dann auch ruhig darüber diskutieren, wie man so einer Terrordrohung, ob sie ernstzunehmen ist oder nicht, richtig begegnen sollte, solange man sich in einer Sache dabei immer einig bleibt: Gegen Drohungen einer militanten, faschistischen Gruppierung steht eine demokratische Gesellschaft trotz aller Unterschiede immer beisammen.
Der Fehler liegt daher nicht in einer umstrittenen Kommunikation der Drohbriefe, sondern ganz alleine in der verdrehten, hasserfüllten Mentalität ihres Absenders.
In einer Demokratie gilt es jeden Tag:
Siamo tutti Antifascisti
– wir sind alle Antifaschisten.
Die Debatte über die angemessene Reaktion auf eine rechte Bedrohung trennt uns daher nicht.
Sie vereint uns.
euer Bastian Sue,
der Löwenseelenkater
(hat sein Antifa-Demogeld gespendet)
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LINK: www.Gofundme.com/Wedel-Blog
Ja…. neee…. is klar…. „nur ein Trittbrettfahrer“… Die spielen doch nur!
Und da fragt sich keiner: „Cui bono?“ Für Nazis oder Rechte haben solche bekloppten Briefe, die sich nicht einmal an einem extremistischen Wortjargon innerhalb solcher Gruppen / Szenen, orientieren, keinerlei Nutzen – im Gegenteil. Das weiß jeder Widerständler jedweder Coleur, der weiter als von der Wand bis zur Tapete denken kann. Alleine der Begriff „deutschblütig“ stammt wahrscheinlich eher der Feder eines „Strategen“ der linken Szene, der sich einen möglichst eindeutigen „Nazibegriff“ aus den Fingern zu saugen gedachte, um einen Vorwand zu liefern, öffentlich mit „Substanz“ auftreten zu können und das politische Klima weiter aufzuhetzen. Sicher gibt es einzelne Spinner, die so einen Schwachfug zu verbreiten im Stande sind und die man in die Naziecke stecken könnte, jedoch würden solche Irren selbst von richtigen Nazis was auf die Glocke kriegen, sollten solche Vorhaben bekannt sein. Ergo: Tat entspringt einem isolierten und völlig vernebelten und inkompetenten Spinner wie dem aus Halle oder die Briefe hat die Antifa oder Leute aus deren Dunstkreis selbst geschrieben. Fazit: Terrorismusbekämpfung sollte nicht nur Strukturen, sondern insbesondere verwirrte Einzelkämpfer im Blick haben und „Beweise“, die den größten Nutzen für politisch gegenüberstehende Extremisten wie die der Antifa liefern, sollten einen nicht hirnlos vor den Karren spannen lassen.