Einwohnerversammlung 2019 – E plexus simplum

„Aus Komplexem Einfaches“

Die diesjährige Einwohnerversammlung stand ganz unter dem Stern der Haushaltslage. Die gut 100 Gäste, neben Bürgern auch Vertreter der Kommunalpolitik, erwartete mit den Stadtfinanzen ein komplexes Thema, bei dem es weder einfache Erklärungen, noch einfache Lösungen gibt.

Dennoch hat Bürgermeister Niels Schmidt offen und mit dem Fokus auf das Wesentliche die Hintergrunde zu den Einnahmen aus den verschiedenen Steuern erklärt und auch die Entwicklung der Stadtverschuldung aufgeklärt.

Seit 2011 hat sich die Verschuldung der Stadt demnach von damals 39,8 Millionen auf aktuell 72,4 Millionen Euro erhöht. Besonders die Einnahmen aus den Gewerbesteuern sind dabei sehr schwankend, machen jedoch einen recht großen Anteil von Wedels Einnahmen aus.

Die schiefe Kassenlage des aktuellen Haushaltsjahres hat ihre Ursache aber nicht in der hohen Verschuldung, sondern durch geringere Gewerbesteuereinahmen, die deutlich unter der Prognose für das Jahr liegen.

Wie es zu der hohen Verschuldung kommen konnte und ob Fehlentscheidungen der Stadtverwaltung bei größeren Projekten Anteil daran haben, wurde vereinzelt von anwesenden Bürgern angesprochen, blieb jedoch untergeordnetes Thema. Das Gesprächs- und Präsentationsthema der Einwohnerversammlung lag vor allem auf der Erklärung des Sachverhaltes und darauf, wie mit dieser Situation nun umzugehen sei.

Aufgelockert wurde die Veranstaltung durch ein von Pressesprecher Sven Kamin erstelltes Video, dass die Grundlagen der Kommunalpolitik auf eine stark vereinfachte Weise zusammenfast und anschaulich erklärt.


Ergänzend wurden zum Abschluss der Veranstaltung die anwesenden Bürger gefragt, welche von vier Wegen sie zum Ausgleich der Steuerausfälle bevorzugen.

  • Aufnehmen von neuen Krediten (7)
  • Verzicht auf freiwillige städtische Leistungen (10)
  • Verdoppelung städtischer Gebühren (9)
  • Erhöhung der Gewerbe- und/oder Grundsteuer (32)

Die Zahl hinter dem Vorschlag gibt die dafür abgegebenen Stimmen wider. Die Umfrage war nicht repräsentativ.

Recht überraschend hat sich ein Großteil der Anwesenden offen gegenüber einer Erhöhung von Gewerbe- und Grundsteuer gezeigt, wenn auf diese Weise eine Verringerung der freiwilligen städtischen Leistungen oder eine Gebürenerhöhung vermieden werden kann.

Auffällig war jedoch, dass bei der Vorstellung der Ausgaben und den Einsparvarianten fast immer nur die Schulkindbetreuung angesprochen wurde. Teilweise schien es, als sollten die Bürger bereits für Einsparungen in diesem Bereich gewonnen werden. Die Umfrage zeigte jedoch, dass die wenigsten diesem Ansatz folgen wollten.

Unter diesem Link gibt es die auf der Einwohnerversammlung gezeigte Präsentation:
LINK (PDF)


Bürgerfragen

Frage:
Was hat Wedel finanziell vom Businesspark und dem Hafen und wann geht es dort weiter?

Zu einer vorrangegangenen Äußerung der Stadtverwaltung, Investitionen und Bauprojekte führten zu Gewinnen der Stadt, wollte eine Bürgerin wissen, wo bei den Projekten Businesspark und Wedel-Schulauer Hafen ein Gewinn für Wedel liegt.

Als Antwort darauf legte der Bürgermeister zunächst die Hintergründe zum Businesspark dar: Die Stadt habe dort nichts investieren müssen, da die Gelder dafür vom Sanierungsfonts stammten. Sobald der neue Bebauungsplan, der in der Vergangenheit durch mehrfache Gerichtsverfahren mit verhängtem Baustopp ausser Kraft gesetzt worden war, in der nächsten Ratssitzung (29.11.2019) erfolgreich inkraft tritt, sollte es dort alles recht schnell gehen. Wedel wäre demnach die einzige Stadt im Kreis Pinneberg, die eine Gewerbefläche dieser Größe anböte und rechne mit entsprechendem Interesse daran.

Zum Hafen räumte Niels Schmidt ein, dass er mit dem heutigen Kenntnisstand damals möglicherweise anders entschieden hätte, betonte aber auch, dass man das Projekt nun zu Ende führen müsse. Der Hafen fördere durch die Besucherzahlen zudem die Gastronomie und den Einzelhandel in Wedel.

Er betonte dabei, dass die Haushaltsprobleme durch die Steuerausfälle aber auch ohne diese beiden Projekte entstanden seien.

Frage:
Warum müssen die Kommunen auf eine Schwarze Null hinarbeiten, wenn die Kredite gerade so günstig sind?

Ein Bürger wollte wissen, ob sich die Kommunenverbände gegen die Vorgabe des ausgeglichenen Haushalts stellen können, da man in Zeiten der Niedrigzinsen auch das Haushaltssystem hinterfragen müsse.

Der Bürgermeister erklärte dazu, dass der Einfluss der Verbände durchaus recht groß sei, man aber bei der Thematik zu Krediten einer große Geschlossenheit gegenüberstände und sich damit leider nicht durchsetzen könne. Ein Defizit-Haushalt sei zwar immer möglich, würde aber eine Genehmigungspflicht des Innenministeriums nach sich ziehen.

Frage:
Gibt es bereits Überlegungen zur anstehenden Grundsteuerreform?

Ein Bürger betonte, dass der Grundsteuerhebesatz schon mit den 425% über dem Durchschnitt läge und nun auf 650% angehoben werden solle. In dem Zusammenhang wollte er wissen, ob es in dem Zusammenhang bereits Überlegungen zu der anstehenden Grundsteuerreform (geplant ab 2025) gibt.

Der Bürgermeister betont, dass die Erhöhung der Grundsteuer in Wedel zugleich den Wegfall der Straßenausbaubeiträge bedeute. Allerdings gibt er auch zu, dass es dann möglicherweise für Einzelne zu einer Erhöhung kommen kann, aber es nicht von der Stadt geplant sei, sich durch die Reform zu bereichern.

Frage:
Schreckt eine Grundsteuererhöhung junge Menschen und junge Familien davon ab, nach Wedel zu ziehen?

Die Frage eines Bürgers bezog sich dabei auf die steigenden Miet- und Eigentumspreise in Wedel, die für junge Familien immer schwerer zu stemmen sind.

Bürgermeister Schmidt betonte: „Eine Steuer die junge Familien abschreckt wäre eine falsche Steuer“. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass Wedels Leistungen wie die Kinderbetreuung junge Familien unterstützen sollen und diese Art von Vorteilen der Stadt wohl nur durch eine Grundsteuererhöhung erhalten werden können.

Wie kann Wedel die Bürgern besser über die Kosten einzelner Projekte und das Thema Finanzen aufklären und offener mit dem Thema umgehen?

Rene Penz (WSI) stellte die Frage, wie man die Öffentlichkeit besser über die aktuelle Situation aufklären und Verständnis für die aktuelle Lage schaffen kann.

Die Verwaltung betonte, dass die Einwohnerversammlung mit dem Themenschwerpunkt Haushalt und Finanzen der erste Ansatz dazu sei, ins Gespräch zu kommen. Man wünsche sich, auch andere Kanäle abseits der Lokalpresse zum Debattieren zu nutzen. Klar wurde hier der Wunsch geäußert, dass sich Bürger mit einer Meinung zu einem Thema auch äußern und man sich um größtmögliche Transparenz bemühe.

Daraufhin merkte Petra Kärgel (GRÜNE) an, dass die für die nächste Ratssitzung geplante Änderung hin zu Beschlussprotokollen, in denen nur noch das Abstimmungsverhalten, aber nicht mehr die Gründe und Diskussionen wiedergegebenen werden, eine deutliche Verschlechterung der politischen Transparenz bedeuten würden.
(Dieses Thema wird in einem weiteren Blogbeitrag behandelt)

Bürgermeister Niels Schmidt erklärte dazu: Es sei Aufgabe der Lokalpresse, die Öffentlichkeit über Sitzungen zu informieren. Zudem gäbe es auch die sozialen Medien und beispielsweise einen Blogger, die über das Geschehen in den Sitzungen berichten.

cat-98359_960_720Ein Wort vom Löwenseelenkater dazu:

Ich fühle mich durchaus geschmeichelt, dass auch der Stadtverwaltung mein Berichten über Arbeit der verschiedenen Gremien in den sozialen Medien gefällt, obwohl ich dabei manchmal auch kritisch mit ihr bin.

Ich habe die Idee, ein möglicher Ersatz für ausführliche Sitzungsprotokolle zu sein selbstverständlich als Scherz verstanden und auch gerne darüber geschmunzelt, denn es sollte natürlich nicht meine Aufgabe als (unbezahlter!) Blogger sein, den Sitzungsablauf der verschiedenen Gremien ausführlicher als die eingesetzten Protokollanten festzuhalten.

(‚Echte‘ Protokolle zu Veranstaltungen jeder Art kann man aber selbstverständlich beim offiziellem Betreiber des Wedel-Blogs, dem Borealis-Verlag, über info@borealis-verlag.de bestellen.)

Frage:
Zahlt Hamburg von dem, was es von der Nähe zu Wedel profitiert, etwas an uns zurück?

Die Frage einer Bürgerin bezieht sich auf die Umweltbelastung durch das Hamburger Kohlekraftwerk auf Wedeler Stadtgebiet, aber auch auf andere Einrichtungen wie beispielsweise das Schwimmbad und regt zum Ausgleich oder Zusammenarbeit von Einrichtungen an.

Die Verwaltung antwortet dazu, dass Wedel auch Vorteile durch die Nähe zu Hamburg habe. Der Bürgermeister erklärt in dem Zusammenhang auch, dass durch die unterschiedlichen Verwaltungsstrukturen über die Landesgrenze hinweg Kooperationen einzelner Institutionen wie der Bücherei manchmal schwierig seien.

Frage:
Wie viele Immobilien besitzt die Stadt noch?

Die Frage eines Bürgers bezog sich vermutlich auf die freien Baugrundstücke.

Die Frage konnte jedoch nicht so eindeutig beantwortet werden, da die Stadt nach anderen Maßstäben berechnet als ein privater Investor. So zählen Straßen, Schulen, städtische Einrichtungen wie das Rathaus und andere ebenfalls zu städtischen Grundstücken. Insgesamt beziffert die Stadt ihr aktuelles Anlagevermögen auf insgesamt etwa 120 Millionen Euro.

Frage:
Wie steht es um den geplanten Nachtbetrieb der S-Bahn?

Nach den Plänen des HVV, die Bahn in Zukunft am Wochenende auch Nachts bis nach Wedel durchfahren zu lassen, hörte man bisher nichts mehr davon.

Der Bürgermeister antwortete darauf: Die Sache ist in Arbeit und der S-Bahn-Nachtverkehr bis nach Wedel wird kommen.

ERGÄNZUNG (5.12.2019):

Der HVV hat am 4.12. auf seiner Facebookseite bestätigt, dass der Wochenend-Nachtverkehr nach Wedel ab 2020 kommen wird. (LINK)

 


Das Werben für die Politik

Wie im letzten Jahr auch, blieb es nicht nur bei dem Beantworten der Einwohnerfragen. Explizit warb die Stadtverwaltung bei den Anwesenden Bürgern dafür, die Ratssitzungen zu besuchen und sich mit dem politischen Geschehen auseinanderzusetzen.


Was fehlte…

…waren vor allem kritische Fragen, wieso es überhaupt so weit kommen konnte. Zudem hätte man die verschiedenen Ausgaben der Stadt noch etwas genauer aufschlüsseln können.

Einige Erklärungen wirkten zudem ein wenig beschönigend: Die Erklärung, dass Wedel durch die gigantischen Investitionskosten am Wedeler Hafen auch finanziell gewinnen würde, erschienen wie der Versuch mit einem Taschentuch eine Leiche abzudecken.

Besprechen gäbe es zudem viel für Wedel – die Einwohnerversammlung auf nur ein Thema zu beschränken, nahm anderen Bereichen die nötige Zeit für eine Aussprache. Allerdings wäre die Zeit für die Finanzielle Haushaltslage in dem Fall wohl auch zu knapp bemessen gewesen.


Fazit

Natürlich kann in komplexes Thema nicht in simple Erklärungen zusammengefasst werden, ohne dass dabei Abstriche gemacht werden müssen. Doch auch wenn manche Punkte des Abends etwas beschönigt oder in eine bestimmte Richtung erzwungen wirkten, ist es der Stadtverwaltung jedoch recht gut gelungen, das komplizierte Thema Haushalt&Finanzen in einer Laien-freundlichen Form zu präsentieren und zu erklären.

Alleine der Versuch, auch komplexe Themen für den Bürger in einfacher Form zu erklären, ist ein Zeichen, dass sich die Stadtverwaltung aktiv bemüht hat, Transparenz und Verständnis für die Mechanismen zu schaffen.

Leider hat es sich allerdings bereits auf der Einwohnerversammlung angedeutet, dass dieses sehr positive Beispiel gelebter politischer Transparenz noch nicht zum generellen Grundsatz der Stadtverwaltung gehört:

Zwei Tage später folgte die Ratsversammlung einer Beschlussvorlage der Stadtverwaltung, in der die Verlaufsprotokolle der politischen Gremien zukünftig von wesentlich weniger informativen Beschlussprotokollen abgelöst werden sollen.

Die Fragen werden dadurch in der nächsten Einwohnerversammlung bestimmt nicht weniger werden…


Bastian Sue,
der Löwenseelenkater


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3 Gedanken zu „Einwohnerversammlung 2019 – E plexus simplum“

  1. „Wie es zu der hohen Verschuldung kommen konnte und ob Fehlentscheidungen der Stadtverwaltung bei größeren Projekten Anteil daran haben, wurde vereinzelt von anwesenden Bürgern angesprochen, blieb jedoch untergeordnetes Thema.“

    -> Natürlich schauen Leute, die ein Desaster hinter sich zurücklassen, am liebsten immer nur nach vorne. Die Wörter Verantwortung und Konsequenzen sind im Sprachschatz von Verwaltung und Politik nicht vorhanden.

    „Aufgelockert wurde die Veranstaltung durch ein von Pressesprecher Sven Kamin erstelltes Video, dass die Grundlagen der Kommunalpolitik auf eine stark vereinfachte Weise zusammenfast und anschaulich erklärt.“

    -> Dieses tendenziöse, verlogene Propaganda-Machwerk, das einzig und allein dazu dient, die Verantwortung für diie verfehlte Kommunalpolitik der letzten 15 Jahre allein den Gremien in die Schuhe zu schieben, als „Auflockerung“ zu bezeichnen, kann man wirklich nur noch dümmlich-naiv nennen, sorry. Haaaaaaaaallo, aufwachen, hier wird auf Steuerzahlerkosten Schwarzer Peter gepielt!

    „Der Hafen fördere durch die Besucherzahlen zudem die Gastronomie und den Einzelhandel in Wedel.“ -> Gelogen.

    „Er betonte dabei, dass die Haushaltsprobleme durch die Steuerausfälle aber auch ohne diese beiden Projekte entstanden seien.“ -> Gelogen.

    „Allerdings gibt er auch zu, dass es dann möglicherweise für Einzelne zu einer Erhöhung kommen kann, aber es nicht von der Stadt geplant sei, sich durch die Reform zu bereichern.“ -> Was ein Glück!

    „Schreckt eine Grundsteuererhöhung junge Menschen und junge Familien davon ab, nach Wedel zu ziehen?“

    -> Der/die Fragesteller/in übersieht, dass junge Familien hier allenfalls erwünscht sind, wenn es sich dabei um Großverdiener oder Erben handelt. Die Wohnungsbaupolitik beweist, dass man vielmehr ältere, wohlhabende Menschen aus Hamburg und dem weiteren Umland anlocken möchte.

    „Bürgermeister Niels Schmidt erklärte dazu: Es sei Aufgabe der Lokalpresse, die Öffentlichkeit über Sitzungen zu informieren.“

    -> Keine Ausrede ist dummdreist genug für unseren Verdunkelungs-Bürgermeister.

    „Wie im letzten Jahr auch, blieb es nicht nur bei dem Beantworten der Einwohnerfragen. Explizit warb die Stadtverwaltung bei den Anwesenden Bürgern dafür, die Ratssitzungen zu besuchen und sich mit dem politischen Geschehen auseinanderzusetzen.“

    -> Lippenbekenntnisse, in Wirklichkeit wird alles dafür getan, Transparenz zu vermeiden und die Bürger aus dem politischen Geschehen herauszuhalten. Man will sich halt nur ungern beim Versagen über die Schulter schauen lassen. Die ganze „Informationspolitik“ des Rathauses läuft darauf hinaus, den Wählern die Beurteilung ihrer Verwaltung und ihrer politischen Vertreter möglichst zu erschweren.

    Das war keine Bürgerversammlung, sondern eine Desinformations-Veranstaltung auf Steuerzahlerkosten, die wir uns zumindest solange sparen können, bis ein neuer Bürgermeister und damit (hoffentlich) wieder etwas Aufrichtigkeit ins Rathaus einzieht.

  2. Besonders realitätsfern war die Aussage des Bürgermeisters, es ganz toll und wichtig das Wedels Kinder in der Badebucht schwimmen lernen würden. Schon mal versucht dort einen Platz zu bekommen , am besten bei der Geburt anmelden.
    Frank

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