„Wir müssen da vorne nach Rechts“.
– „Bist du dir sicher?“, frage ich.
„Nein, warte! Fahr nach Links! Links! Li…..moment…nein, doch Rechts!“
Die Straße ist plötzlich nicht mehr asphaltiert, es wird matschig. Ein Schlagbaum versperrt den Weg.„Schau mal auf das Handy, wo wir überhaupt sind“, wird mein Mitfahrer aufgefordert.
– „Geht nicht, es gibt hier keinen Empfang“.
Draussen regnet es in Strömen. Um uns herum plötzlich nur noch dichter Wald, es ist stockdunkel.
Schweigen. Wir haben uns mal wieder verirrt.In der Ferne heulen die Wölfe…
Alte und neue Wege
Eine neue Stadt lässt einem irgendwann erkennen, wie eingefahren das Leben am alten Wohnort im wahrsten Sinne des Wortes doch ist. Jede Straße, jede Abkürzung und sogar jeder potentielle Stau sind einem längst bekannt. Den Weg zum nächsten Supermarkt kann man schon fast blind fahren und auch auf dem Weg zur Arbeit konnte der Kopf auch noch ein wenig weiterschlafen – wie die Ampeln geschaltet waren weiß man ja längst. Selbst alle Schlaglöcher sind einem seit Jahren bekannt und quasi persönliche Freunde geworden. Jeder Schleichweg abseits des Staus wird stolz allen Mitfahrern präsentiert, während hingegen alle versteckten Geheimparkplätze in der überfüllten Großstadt sorgsam gehütetes Familienwissen bleiben.

Man kennt eben sein Revier. Bis man dann umzieht, sich das erste mal verirrt und sich genausogut auf einem anderen Kontinent befinden könnte.
Dabei ist Wedels Straßennetz doch wirklich nicht so kompliziert. Aber eben trotzdem erst mal fremd, wenn man es nicht kennt.
Odysseus in Wedel
„Wenn du aus Richtung Troya kommst biegst du beim Hellespont einfach links ab, fährst an Rhodos vorbei und musst dann in die kleine Einfahrt bei Peloponnes. Wenn du an einem Spielplatz vorbei kommst bist du richtig, doch da werfen die Zyklopen manchmal Bälle auf die Straße.
Bei der anschließenden Kreuzung von Charybdis und Skylla musst du danach links einbiegen. Bloß aufpassen, als ich da letztens gerade das Radio lauter machen wollte ist mir ein Seeungeheuer hinten draufgefahren, Totalschaden.
Bei der nächsten Querstraße darfst du nicht den Schildern in den Circe-Weg folgen, sondern folgst einfach dem Wagen vom Hermes-Versand. Auf diesem Weg kommst du dann ganz einfach und ohne den Umweg über das Autal wieder auf die B431″
– Poseidon zu Odysseus
„Ich kenne da einen besseren Weg, wenn du in die Moorwegsiedlung möchtest.“
Mit diesem Satz fing die Geschichte an, an deren Ende ich mich plötzlich mitten im Wald verschollen glaubte. Dieser gutgemeinte Ratschlag, aus Richtung Hamburg kommend gleich nach dem Rissener Canyon über den Sandmoorweg und dann den Wespenstieg in die Moorwegsiedlung zu fahren war grundsätzlich auch echt super. Zumindest wenn ich vernünftig zugehört hätte und mich nicht an manchen Tagen sogar in einer Drehtür verirren würde.

Athena weist Odysseus den Weg
Nach langer Irrfahrt trafen Odysseus und sein Begleiter auf eine junge Frau, die mit edlen Gewändern (nagut, es war ein Regenmantel) in einer Aureole aus Licht wandelte (…eine Taschenlampe) und eine wilde Bestie gezähmt hatte (Ja, ja. Aber ein echt süßer Hund!).
Die Göttin Athena war es, die sich Odysseus nun offenbarte und ihn aufklärte, dass er irrtümlich nun doch der Verlockung erlegen und in die Circe-Straße eingebogen war. Aber die holde Göttin lächelte, denn sie war Odysseus wohlgesonnen.
Mit einem Strahl aus Licht wies sie ihm den Weg nach Ithaka!
Wir haben dann tatsächlich nach dem Weg gefragt!
(Sowas machen Männer ja angeblich immer erst dann, wenn sie ganz verzweifelt sind…)
Eine nette Wedeler Bürgerin erklärt uns wo wir sind und kommt als Athena auf die Liste der neuen Bekanntschaften.

Es hat sich herausgestellt, dass wir keine 30 Meter weit vom Kurs abgekommen waren: Wir standen im östlichsten Ende vom Egenbüttelweg, der auf Google Maps blöderweise wie eine durchgängig befahrbare Straße aussieht. Der heulende Wolf war also wohl doch nur eine S-Bahn am anderen Ende vom Schulauer Moorweg.
Athena lacht und weist uns mit der Taschenlampe den Weg. Wir grinsen verlegen und hören dieses mal deutlich besser zu.
Coming soon: Odysseus neue Abenteuer!
Auch wenn ich den Schleichweg durch den Wespenstieg dann dank der holden Athena am Ende doch noch kennengelernt habe, werde ich in Wedel bestimmt auch in Zukunft noch manch unfreiwillige Odyssee erleben. Neue Wege lernt man eben auch erst mit der Zeit kennen, bis sie dann irgendwann, ganz unbemerkt, zu heimatlichen Wegen werden.
Falls euch in Wedel demnächst also mal wieder ein silberner Toyota mit unentschlossenen Fahrmanövern im Weg sein sollte:
Meine ehrliche Entschuldigung.
Vermutlich suche ich gerade nur mal wieder den Weg nach Hause!
– Bastian Sue,
der Löwenseelenodysseus
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