Von einem RTL-Interview habe ich nichts erwartet.
Und es war trotzdem noch enttäuschend.
Daniel Günther durfte ich im Wahlkampf als sympathischen, wortgewandten Ministerpräsidenten kennenlernen, der sich damals auch für einen kleinen Scherz nicht zu schade war. Der Mann hat mit seinem Wissen deutlich mehr zu bieten als RTL in dem kürzlich gedrehten Beitrag von ihm haben möchte.
Dieses Interview kann man fast schon als eine Beleidigung für sein Fachwissen und auch jeden an der Arbeit des Ministerpräsidenten interessierten Zuschauer sehen.
Die Moderatorin erwirkt den Eindruck einer Stichwortgeberin, damit Daniel Günther von Jamaika erzählen kann: – „Schleswig-Holstein ist auf Kurs, dank Jamaika, dank ihnen. Inwiefern?“ – „Was packt Jamaika jetzt an?“
Wenn die einzige Nachfrage der Moderatorin zu Schleswig-Holsteins Politik dann lautet, ob sich Günther lieber als „Landesschwiegersohn“ oder als „Landesvater“ ansieht, wird man schmerzhaft daran erinnert, welchen Sender man sich gerade ansieht.
Der Landesschwiegersohn
Es gibt viele Themen, bei denen man hätte nachhaken können: Soziale Spaltung. Pflegenotstand. Klimaschutz. Das aktuelle und umstrittene Vergabegesetz. Kinderarmut. Altersarmut. Kita-Gebüren.
Aber ob dem Ministerpräsidenten die Bezeichnung Landesschwiegersohn genehm ist, oder er lieber Landesvater genannt werden möchte, hat für RTL anscheinend eine höhere Dringlichkeit.
Daniel Günther senkt bei der Frage den Blick.
Ich stelle mir vor, dass dies bereits der 15. Versuch ist, diese Szene zu drehen. In allen vorherigen Anläufen konnte keiner der Beteiligten dem Drang widerstehen, sich bei der Frage der Moderatorin die flache Hand ins Gesicht zu klatschen. Einzelne Personen möglicherweise auch der Moderatorin.
„Ernsthaft? Ich bin der verdammte Ministerpräsident von Schleswig-Fucking-Holstein und DAS ist deine Frage zu meiner Politik?“
Der Ministerpräsident sieht wieder auf und antwortet.
Sein Lächeln wirkt gequält.
Halte durch, Daniel.
Ich leide mit dir!
Ein Hoffnungsschimmer!
Überraschend wird dann wenigstens ein gutes politisches Thema direkt angesprochen: Gleichberechtigung von Frauen in der Politik. Sogar mit Bezug auf Schleswig-Holstein! Da war eine ernsthafte, herausfordernde Frage an den Landesschwiegersohn, gefolgt von einer echten Antwort! Danke!
Das diente dann wohl aber leider nur als Überleitung zum Konflikt CDU-CSU, das als aktuelles Thema wohl interessanter scheint als die politische Arbeit des Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein in Schleswig-Holstein in einem Interview in Schleswig-Holstein.
Auch als wohl eher unbedeutender Akteur in diesem Geschehen darf Günther auch dazu noch seinen Senf geben und dazu den Einfluss Schleswig-Holsteins auf die Bundespolitik betonen, als ob es ihn vorher noch nie gegeben hätte. Die Moderatorin zieht dabei ihr Ass aus dem Ärmel: Sie hat erfahren, dass die Bundeskanzlerin Daniel Günther das „Du“ angeboten hat. Aha! Wir bekommen zwar nichts genaueres aus Kiel, aber dafür ein Beweis für Schleswig-Holsteins Einfluss auf die Kanzlerin.
Den Rest des Interviews kann man sich dann eigentlich schenken:
Nachdem Günther seine Sätze sagen durfte, geht es um sein Privatleben, das von RTL weitaus ausführlicher thematisiert wird als seine Arbeit.
Die entscheidende Frage!
Beim Thema Grillen scheint die Moderatorin etwas mutiger zu werden: „Jetzt die entscheidende Frage: Wurst oder Nacken?“
Alle, die nur deswegen eingeschaltet haben, können nun erleichtert aufatmen. Endlich ist die Ungewissheit vorbei! Günthers Blick hingegen ist irritiert. War die Frage etwa nicht mit ihm abgesprochen?
Ich empfinde inzwischen Mitleid mit Daniel Günther.
Das einstudierte Lächeln des Ministerpräsidenten zerbricht in der Sekunde nach der Grillgut-Frage. In den kalten, ausdruckslosen Augen erkenne ich die sehnsüchtige Erinnerung an bessere Zeiten. Damals, vor 60 Sekunden, als er tatsächlich einmal über ein politisches Thema sprechen konnte!
Natürlich versteht jeder unter „entscheidenden Fragen“ etwas anderes. Allerdings habe ich „entscheidende Fragen“ an einen Ministerpräsidenten eher bei politischen Themen erwartet. Man muss dabei ja auch nicht gleich auf das Thema Grillgut verzichten:
„Herr Günther. Mit welchem ihrer Jamaika-Regierungsparter arbeiten sie besser zusammen, GRÜNE oder FDP? Tofu-Wurst oder Edel-Nacken?“
„Ich fange beim Grillen immer mit Nacken an“ – Die Moderatorin bleibt skeptisch und fragt besser noch mal nach. „Ja?“. Der Ministerpräsident scheint in die Ecke gedrängt. Ein Hoch auf den investigativen Journalismus!
Seufz.
Nicht aufgeben, Daniel!
Bewahre einfach die Erinnerung daran, dass RTL dich für ein paar Sekunden wie einen starken Politiker mit einer Menge Fachwissen behandelt hat! Erinnere dich an dieses Gefühl, ernst genommen zu werden und halt dich daran fest!
Wir stehen das gemeinsam durch, du hast es bald geschafft!
Was das Ganze in Wedel soll? Keine Ahnung.
Man empfindet diesen Beitrag nicht als Interview, sondern eine Werbesendung, gepaart mit einer Boulevardzeitung. Warum man dazu nach Wedel gefahren ist bleibt ebenso ein Geheimnis von RTL, wie der Ursprung des Wissens der Moderatorin vom „Du“ mit der Kanzlerin.
Das nächste Interview mit Landespolitikern in Wedel funktioniert vielleicht besser ohne Skript und lieber mit ein paar spezifischeren Fragen zur Landespolitik statt „Wurst oder Nacken“. Dann könnte unser gebeutelter Landesschwiegersohn auch zeigen, dass er sich mit politischen Themen besser auskennt als mit dem Grillen.
Ich meine…. zuerst Nacken? Selbstverständlich isst man als zuerst eine Wurst gegen den Hunger. Der gute Nacken kommt schließlich erst danach in Ruhe, zum genießen.