Auslegungssache: 30%-Quote für sozialverträglichen Wohnungsbau – wie interpretieren es die Parteien?

Bei der DGB-Podiumsdiskussion hat der Wedel-Blog die Kandidaten der Parteien nach ihrer Auffassung zur 30%-Regel gefragt.

2014 hatte der Wedeler Stadtrat beschlossen, dass bei Bebauungsplänen zu Miet- und Eigentumswohnungen ab 1500qm zukünftig 30% der geschaffenen Wohnfläche nach sozial verträglichen Gesichtspunkten gestaltet werden muss. Ziel der Maßnahme war es, den hohen Bedarf an bezahlbarem Wohnraum gerecht zu werden.

Aus dem Protokoll des Planungsausschusses vom 4.11.2014:

„Der Planungsausschluss empfiehlt dem Rat mit 8 Ja / 5  Nein / 0 Enthaltungen:

Der Rat beschließt:
Bei der Ausweisung von neuen Bauflächen durch die Aufstellung bzw. Änderung eines Bebauungsplans sollen bei Neubauprojekten sowohl im Miet- als auch im Eigentumswohnungsbau ab 1500 qm beantragten Nettowohnflächen 30 % mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung erstellt werden.

Damals haben SPD, LINKE, GRÜNE, FDP und WSI gemeinsam den großen Block der CDU überstimmt und die 30 Prozent sozialer Wohnfläche durchgebracht. Doch in den vergangenen Jahren wurde dieser Beschluss sehr oft nicht eingehalten. Häufig wurde dabei neben anderen Gründen auch eine andere Auslegung der Regelung genannt.

Verschiedene Interpretationsmöglichkeiten

Teilweise interpretierten die Parteien die Auslegung des Ratsbeschlusses in der Vergangenheit und gerade beim ersten Bauabschnitt von Wedel Nord sehr unterschiedlich. So wurde mal nach reiner Wohnungsanzahl statt der Nettowohnfläche gerechnet, manchmal wurden auch Betriebsräume und Flure in der Berechnungsgrundlage der 30% mit aufgeführt. Beide alternativen Interpretationen haben einen deutlich geringeren Anteil an sozialverträglichem Wohnraum zur Folge, als nach dem damaligen Ratsbeschluss vorgesehen war.

Der Beschluss vom 4.11.2014 (Link zur Protokolldatei des Planungsauschusses) erwähnt eindeutig die Nettowohnfläche. Wie aber interpretieren die Parteien die festgelegte 30%-Quote zur Schaffung von sozialverträglichem Wohnraum?


Der Wedel-Blog fragt nach:

„Interpretiert ihre Partei den Beschluss von 2014 zur Schaffung von 30% sozialverträglichem Wohnraum auf die Nettowohnfläche, auf die Bruttofläche oder auf die Wohnungsanzahl?“

Die Antworten der Parteien und der Vergleich mit den entsprechenden Passagen der Wahlprogramme:

Patrick Eichberger (DIE LINKE) bekennt ganz klar:
Die Regelung umfasst 30% der Nettowohnfläche. Die LINKE fordert in ihrem Wahlprogramm auch, diese Regelung zu verschärfen und schon bei Bebauungsplänen ab 750qm wirksam zu machen.

Lothar Barop (SPD) steht ebenfalls klar für eine Interpretation nach Nettowohnfläche ein. Im Wahlprogramm der SPD steht ebenfalls die Forderung nach einer Verschärfung der Regelung, nennt nur keine genaue Zahl.

Andreas Schnieber (WSI) bekräftigt gleichfalls die Ansicht, dass der Ratsbeschluss mit 30% der Nettowohnfläche interpretiert werden muss. Im Wahlprogramm der WSI ist die Quote ebenfalls genannt, die genaue Auslegung konnte Schnieber nun nachgeliefern.

Olaf Wuttke (GRÜNE) führt an, dass es auch auf die Umstände der Projekte ankommt. Für ihn ist es demnach von Fall zu Fall unterschiedlich, nach welchem Maßstab die 30%-Quote interpretiert werden muss. In ihrem Wahlprogramm fordern die GRÜNEN allerdings eine konsequente Umsetzung und sogar Verschärfung der 30%-Quote.

Peter Kramer (CDU) sieht es anders: Die CDU hatte 2014 als einzige Partei gegen den Beschluss gestimmt und interpretiert ihn dadurch auch auf die Art, die die geringste Auswirkung auf Bauprojekte hat: Für die CDU gilt daher nach dem Beschluss 30% sozialverträglicher Wohnraum, allerdings nur gemessen an der reinen Wohnungsanzahl.

Martin Schumacher (FDP) erklärte zwar die Hintergründe zu der Nichteinhaltung der Quote beim ersten Bauabschnitt zu Wedel-Nord, aber blieb eine klare Antwort auf die Frage leider schuldig. Entnehmen konnte man dem aber, dass sich die FDP wohl nicht grundsätzlich festlegen will, sondern von Fall zu Fall entscheiden möchte.

(Die Reihenfolge entspricht der Reihenfolge der Antworten während der DGB-Podiumsdiskussion am 25.4.2018)


Die Antworten in der Übersicht:

Partei Interpretation des Ratsbeschlusses von 2014: Aussage im Wahlprogramm:
DIE LINKE 30% Nettowohnfläche Beschluss auf 750qm ausweiten!
SPD 30% Nettowohnfläche Beschluss noch ausweiten!
WSI 30% Nettowohnfläche Beschluss bestätigt
GRÜNE Nicht festgelegt Beschluss noch ausweiten!
CDU 30% Wohnungsanzahl Nicht erwähnt
FDP Nicht festgelegt Nicht erwähnt

Ein Vergleich mit dem tatsächlichen Abstimmverhalten der vergangenen Jahre wäre wahrscheinlich sehr interessant, sprengt an dieser Stelle aber den Umfang des Beitrages.


Bastian Sue,
der Löwenseelenkater

0 Gedanken zu „Auslegungssache: 30%-Quote für sozialverträglichen Wohnungsbau – wie interpretieren es die Parteien?“

  1. Was Du, warum auch immer, unterschlägst: Die Vertreter der Fraktionen haben sich darauf verständigt, alle Varianten der 30%-Regelung nach der Kommunalwahl vorurteilsfrei zu debattieren, um zu einer gemeinsamen Haltung zu finden: Reduzieren der Projektgrössen, Einbeziehung von Einzelhäusern und Reihenhäusern, Reduzieren auf Geschosswohnungsbau, Belegung-und Benennungsrechte. Der Beschluss ist noch keine 14 Tage alt. Wenn Du jetzt meinst, Fraktionen wg. Wahlkampf zu einer früheren Festlegung ohne gemeinsame Bestandsaufnahme bringen zu müssen, ist das nur kontraproduktiv .

    1. Moin Herr Schumacher,
      vielleicht ist das ein generelles Verständnisproblem zu Zuschauerfragen:

      Fragen an die Parteien stellt man meiner Ansicht nach traditionell immer vor der Wahl, da man ja schließlich auch vor dem Wählen wissen sollte, welche Position eine Partei vertritt.

      Daher betrachte ich es wirklich nicht als kontraproduktiv, dieses Thema vorher schon anzuschneiden. Vielmehr stelle ich damit – in diesem Fall auch für meine Leser – fest, wie die Positionen in zukünftigen Entscheidungen aussehen und was die Parteien für Ziele haben.

      Leider hat die FDP als einzige Partei weder zu meiner direkten Frage, noch in ihrem Wahlprogramm eine klare Antwort bringen können.
      Das lässt ihnen natürlich ihre Positionierung bei einer späteren Debatte völlig offen.
      Aber sie verstehen möglicherweise, dass das auf mich, der sich schon vor der Wahl für das zukünftige Verhalten der Parteien interessiert, natürlich etwas verstörend wirkt.

      Vor allem, wenn es sich um eine recht einfache Frage handelt, die 4 andere Parteien sogar in nur einem einzigen Wort(!) klar beantworten konnten und zu der noch eine weitere Partei ihre Position klar in ihrem Wahlprogramm zeigt.

      Was es über die 30%-Regelung zu debattieren gibt interessiert mich natürlich sehr.
      Ich persönlich finde ja, man sollte vor allem mal daran arbeiten, sie gelegentlich auch umzusetzen. Aber auch eine Verschärfung zur Schaffung von mehr bezahlbaren Wohnraum in Wedel wäre sehr gut.

      Um so mehr freue ich mich daher, dass die meisten Parteien eine klare Position dazu geäußert haben und baue darauf, dass sie diese nach der Wahl weiterhin vertreten werden.

      Ich bin mir relativ sicher, dass ich dann auch die Positionen der FDP kennenlerne.

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