Wedels neuste Sehenswürdigkeit hat noch keinen offiziellen Namen erhalten, aber der Autor möchte nicht nur von „dem Stein“ schreiben. Mit dem Alten Schweden haben wir ein Stück Flussaufwärts zudem bereits einen Kerl am Elbstrand liegen, daher geht es in diesem Beitrag vorläufig um eine junge Dame:
„Friske Deern“
Diese plattdeutsche Bezeichnung kann man wörtlich am besten als „frische Tochter“ übersetzen. Dabei ist der Name nicht nur „frisch“ so wie „neu“ oder „unverdorben“ zu verstehen, sondern viel eher noch auf die Bedeutung „luftig-windig“ zu beziehen. Es wären zwar auch die Übersetzungen „Kühle Tochter“ oder gar „Windiges Mädchen“ möglich und ein paar Zweideutigkeiten sind nicht verkehrt – wer weiß denn jetzt schon, wie die Dame sich bei uns entwickeln wird.
Dieser – vorläufig vom Autor vergebene – Name könnte in der ersten Bedeutung nicht passender sein:
Vor einer Woche noch bewunderten wir den vom Sturmtief Sabine überschwemmten Hafen, direkt darauf folgte Uta, dann Orkan Victoria und Sturmtief Wiltrud steht bereits in den Startlöchern.
Mitten in dieser Zeit der Frühjahrsstürme wurde „Friske Deern“ im Morgengrauen des 19. Februars 2020 vor Fährmannsand aus 16,60 Meter Tiefe ans Tageslicht gehoben.
Ein langer Weg bis nach Wedel
Anmerkung:
Es handelt sich bei dem folgenden Absatz um eine zwar mögliche Entstehungsgeschichte des Findlings, aber ohne eine wissenschaftliche Untersuchung dennoch um reine Spekulation.
Vermutlich begann Friske Deerns Weg zu uns bereits vor sehr, sehr langer Zeit.
Wahrscheinlich stammt unsere Schönheit wie auch der Alte Schwede in Hamburg nämlich aus Skandinavien und wäre dann ebenfalls aus dem sogenannten Transskandinavischen Magmatitgürtel zu uns gekommen.
Damit wäre ihr Gestein etwa 1,4 Milliarden Jahre alt und entstand zu einer Zeit, als die Erde noch völlig anders aussah:
Der Tag hatte damals 18 Stunden, ein Superkontinent namens „Columbia“ war gerade zerbrochen und das Nachfolgeprojekt „Rodinia“ war bereits in Planung. Vielleicht entstand Friske Deern ja dort während des Kontinentaldrifts in den kontinentalen Bruchzonen. Der neuste Schrei in der Evolution waren zu dem Zeitpunkt Algen, aber auch ein paar neue Konzepte wie Plankton, Pilze und Mikroben wurden in den angesagten Vierteln von Proto-Skandinavien ausprobiert. Der Subkontinent Baltica, auf dem Skandinavien gerade in der Entstehung war, lag damals am Äquator.
Eventuell handelt es sich bei Friske Deern also um eine Südseeschönheit, von denen manche der auf der Elbe an ihr vorbeifahrenden Matrose schwärmen. (Naja, bestimmt rein geologisch gesehen natürlich!)
Diese (hypothetische) Lebensgeschichte von Friske Deern ging dann mit der atemberaubenden Geschwindigkeit weiter, wie man sie nur bei Kontinentalverschiebungen erlebt:
Vor 600 Millionen Jahren lag sie am Südpol, und während die Erde gerade langsam von einer Zeit der nahezu völligen Vereisung auftaute entstanden die ersten Lebewesen mit Skelett und damit die ersten Fossilien.
Vor 500 Millionen Jahren befand sich Skandinavien und damit vermutlich auch Friske Deern auf den Breitengraden von Buenos Aires und erlebte mit der sogenannten Kambrischen Explosion die Entstehung einer schier unfassbaren Menge verschiedener Tier- und Pflanzenarten.
Vor 300 Millionen Jahren probierte man es wieder in einer Wohngemeinschaft direkt am Äquator und bildete den Superkontinent Pangäa. Insekten hatten sich als erfolgreiche Plagegeister bewiesen, waren deutlich größer als heute und dienten den ersten, etwa 20 Zentimeter langen Reptilien als Nahrung, die dafür vielleicht auch auf Friske Deern herumkrabbelten.
Vor 250 Millionen Jahren lag Friske Deern dann auf dem Breitengrat von Miami. Dort erlebte sie möglicherweise die bisher gewaltigste biologische Katastrophe auf dem Planeten Erde mit:
Kohlendioxid-, Methan und Schwefeldioxid kamen durch Magmaaustritte in die Atmosphäre, Gewaltige Kohlebrände entstanden zeitgleich und sorgten für einen Temperaturanstieg von zunächst nur 2 Grad. Verschiedene dadurch verursachte Ereignisse wie das Abschmelzen der Polkappen folgten in kürzester Zeit einem nach dem anderen in einer Kaskade und schließlich wurden aus 2° dann 5° und schließlich durch einen daraus folgenden Treibhauseffekt eine Erderwärmung von mehr als 10 Grad innerhalb weniger tausend Jahre. Kommt einem diese Gefahr bekannt vor?
Vor 100 Millionen Jahren lag Friske Deern dann etwa dort, wo Wedel heute liegt, während sich das Leben wieder erholte. Die Natur drehte dann auch richtig auf, Dinosaurier und Vögel wuselten überall herum und eine absurde kleine Art von Nager war entstanden, die auf das bisher bewährte Konzept vom Eierlegen verzichtete.
Vor 20 Millionen Jahren gab es keine Ostsee mehr, die Nordsee war nur ein riesiger Sumpf und nachdem die Dinosaurer vor 65 Millionen Jahren einem großen Stein und dessen Folgen zum Opfer fielen waren die kleinen Nager nun ganz groß und die Säugetiere schwer im kommen.
Vor 320.000 Jahren fand dann eine der ersten Eiszeiten statt, die wir als solche kennen. Es gilt inzwischen als nachgewiesen, dass der Alte Schwede mit der Elster-Eiszeit nach Hamburg transportiert wurde: Der sich von Norden vorschiebende Eispanzer schälte praktisch die obersten Geröllschichten ab und drückte Felsen Richtung Süden.
Vermutlich wurde also auch Fiske Deern wie die meisten norddeutschen Findlinge auf diese Art von Skandinavien herab bis in die Elbe geschoben. Es könnten aber auch die Saale-Eiszeit vor 200.000 Jahren oder die Weichsel-Eiszeit gewesen sein, die erst vor 11.600 Jahren endete.
Vor 11.000 Jahren etwa saßen vielleicht die ersten in diesem Gebiet nachgewiesenen Menschen am Elbufer, blickten auf das Wasser und ahnten nichts von Friske Deern und der langen Reise, die sie und der Boden unter ihren Füßen bereits hinter sich hatten.
Gestern dann, im Morgengrauen:
Der Schwimmkran „Enak 600“, vom Schlepper „Arion“ in Position gebracht, hebt einen 60 Tonnen schweren Findling aus der Tiefe. Bereits um 3 Uhr Nachts begann die Bergungsaktion vor dem Fährmannsander Watt. Dort war der Stein der für 17,30 Meter Tiefe geplanten Begegnungsbox der Elbvertiefung im Weg und musste daher einen anderen Platz bekommen. Bald darauf wurde „Friske Deern“ ein wenig weiter Stromaufwärts am Schulauer Strand abgelegt.
Sie liegt dort nun nahe am Wasser,
wo die Wellen regelmäßig um sie tanzen,
der Wind um ihre Rundungen pfeift
und jedermann sie bewundern kann.
Ganz so, wie es Wedels stürmische Tochter
nach einer langen Reise verdient hat.
Und damit wisst ihr nun auch, wie mein Namensvorschlag für SIE lautet…
Euer Löwenseelenkater
(Alle Bilder: Pressestelle der Stadt Wedel)
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Ein Gedanke zu „„Friske Deern“ – Wedels stürmische Tochter“