„Der Wedeler Hafen ist übrigens auch verschlickt!“
Achso. Ich sehe in meinen Kaffeebecher und überlege ob ich die zähflüssige Pampe noch trinken soll.
Schlick ist eben einfach überall. Das ist doch ganz normal.
Schlick im Hafen ist nun wirklich nichts Überraschendes. Er ist eine Art stiller Gruß der Natur, dass sie auch ein Wörtchen bei der Gestaltung der Landschaft mitzureden hat. Schlick hat etwas Ehrliches an sich, da weiss man einfach was man hat. Erst wer als Kind einmal in den Schlick gefallen ist, hat die wahre Schönheit der Norddeutschen Küste in ganzer Pracht erlebt!
Kein Grund zur Beunruhigung. Der Wedeler Hafen ist dieses Jahr eben wieder verschlickt.
So wie jeder Hafen manchmal.
Einen erfahrenen Hafenstadtbewohner verwundert der Schlick im Hafenbecken nicht. Aber es verwundert ihn ein wenig, dass man anscheinend darüber verwundert ist.
Normalerweise besteht bei Flüssen ja keine große Verschlickung. Der stetige Strom sorgt dafür, dass alle Sedimente in Richtung Meer fortgespühlt werden. In der Flussmündung wird die Fließgeschwindigkeit des Wassers schließlich abgebremst und die mitgeführten Sedimente setzen sich ab: Ein sch(l)ickes Flussdelta entsteht!
(Kommt schon, der Kalauer musste jetzt einfach sein!)
Ebbe und Flut sorgen in der Elbmündung allerdings dafür, dass das Wasser ständig in Bewegung bleibt und die Sedimente zwar kurzzeitig zur Ruhe kommen, jedoch mit ab- und auflaufendem Wasser immer wieder mitgetragen werden. Der Schlick hat es üblicherweise also schwer an Ort und Stelle zu bleiben, zumal die Elbe ja auch noch ständig in Bewegung ist. Also wird er von der Tide einfach immer hin- und hergeschoben.

Das (unfreiwillige) Wedeler Landgewinnungsprojekt:
Wir Menschen machen es der Natur gelegendlich dennoch sehr einfach: Um Sedimente abzusetzen braucht es ruhiges Gewässer. Wie eine Bucht, die langsam verlandet. Ein beruhigtes Landgewinnungsgebiet. Oder….ein Hafenbecken!
Gerade die neue Hafenmole in Wedel bietet ein ideales Auffangbecken für strömendes Tidewasser. Einerseits macht dies den Wedeler Hafen auch bei rauer See recht sicher, andererseits eben auch besonders ruhig. Die Bootsbesitzer freut es, die endlich mal eine Pause haben wollenden Sedimente aber dummerweise auch.
Ein weiteres Stück dieses Problems kippt uns der Nachbar vor die Tür:
Bis vor nicht allzulanger Zeit wurde der in Hamburg ausgegrabene Schlick auf Felder gekippt, in Deichen verbaut oder in der Nordsee verklappt. In den letzten Jahren jedoch wurde das Zeug immer häufiger einfach direkt – ihr ahnt es! – vor Wittenbergen, also direkt stromaufwärts von Wedel abgeladen.

Manch Stück „Hamburger“ Hafenschlick landet dadurch womöglich danach bei uns im Hafen.
(Externer Link: Bericht über Baggerarbeiten in Hamburg)
Unsere Vorväter kannten eine Lösung
Als wir beim Kaffee auf das Thema kommen erzählt mir eine meiner ersten Schulauer Bekanntschaften, wie die Verschlickung im Schulauer Hafen anscheinend früher recht erfolgreich bekämpft wurde.

Am Strandbaddamm, direkt hinter dem Hafenbecken wo heute die Firma Schneider Versand GmbH vor einem aufgeschütteten Deich ihr Gebäude hat befand sich damals eine Nasswiese. Regelmäßig sammelte sich dort das Wasser und verwandelte das Gelände in einen tiefen, nassen Sumpf. Das war durchaus beabsichtigt, denn der einzige Abfluss war wohl ein breiter Schleusenkanal, der unter der Straße hindurch ins Hafenbecken führte.
Alle paar Wochen kam ein Schleusenwärter und drehte den Hahn auf. Das Wasser lief mit ordentlich Druck von der Wiese ab und spühlte mit einem einzigen Handgriff das Hafenbecken vom Schlick frei. Wie bei der Klospülung – Super, oder?

Doch die Stadt ist gewachsen.
Die Nasswiese ist inzwischen längst vom Deich abgetrennt und unter Sportanlagen verschwunden. Aus verständlichen Gründen möchte man auch bei der Schneider Versand GmbH keine Überflutung mehr im Empfangszimmer haben.
(Meldet euch, falls es inzwischen anders ist!)
Also bleibt aktuell also nur noch, dass Hafenbecken mit Maschinen freizuspühlen.
Und das kostet eben.
Geld? Was? Wieviel? Wer? Wir?
Am 20. Februar soll für 4 Tage lang gebaggert werden. Laut den Medieninformationen wird es im Sportboothafen wohl 20.000 Euro kosten.Am 6. März kommt dann der Ponton Willkommhöft dran, bei dem der Spaß dann 24.000 Euro kosten soll.
Tut weh. Aber daran führt für eine Hafenstadt einfach kein Weg vorbei.
Bei der Planung des neuen Hafens wurde das Problem übrigens anscheinend auch angesprochen und auch die Abtrennung eines „Spühlkastens“ am Ende des Hafenbeckens war von einer Fraktion ins Gespräch gebracht worden. Ähnlich wie die Nasswiese früher sollte ein Handgriff am Klokasten reichen. Verwirklicht wurde die Idee aber schon in den ersten Plänen leider nicht.
Seit den ersten Hafenplanungen wird beteuert, dass ein zukünftiger Hafenbetreiber alle Betriebskosten für das Freipumpen übernehmen wird. Bloß gibt es leider immer noch keinen Hafenbetreiber.
Hoffen wir das Beste. Vielleicht findet sich ja noch einer. Mutter Natur wird uns jedenfalls auch im nächsten Jahr wieder ihre eigenen Hafengestaltungspläne hinter die Mole getragen haben. Vielleicht bezahlt dann jemand anderes den Bagger, sie selbst macht es bestimmt nicht.
Ob es sich lohnt, Hamburg dafür mit zur Kasse zu bitten? Vielleicht fühlt sich jemand berufen, das mal nachzuprüfen.
Ein Zufallsfund bei der Recherche lässt mich die Wedeler Schlick-Verwunderung dann doch noch ein wenig verstehen:
Eher nebenbei stolpere ich bei Stöbern im Ratsarchiv darüber, dass die zunehmende Verschlickung des Hafens 2008 ein genannter Hauptgrund für den Umbau der Hafenmeile war. Vielleicht erklärt dass nach dem Umbau das von mir wahrgenommene Erstaunen über den wieder auftauchenden Schlick. Leider lässt der sich der Elbschnodder aber eben nicht so einfach wegplanen.
Eines hat sich inzwischen wohl gezeigt:
Solange man keinen Kaffeefilter vor die Mole setzt, wird ein Hafenbecken immer Schlick aufnehmen.
Und die Plörre möchte dann vermutlich trotzdem keiner trinken.
Fazit? Schlick ist immer da. Ist eben so.
Wieder habe ich etwas über die Stadt und ihre Geschichte gelernt und bei meinen Gesprächen anscheinend auch etwas trübes Wasser dabei aufgewühlt. Der Hafen ist anscheinend ein schwieriges Thema für die Wedeler Bürger – aber er hat sehr viele interessante Geschichten zu bieten. Den Rest davon sehe ich mir auf jeden Fall ein anderes mal an.
Vielleicht ist ja auch das ab dem 20. Februar im Hafenbecken arbeitende Spülgerät einen Blick wert!
Ansonsten freue ich erst mal darauf, im wärmeren Frühjahr den Wedeler Hafen mit dem Kajak von der Seeseite aus erkunden zu können.
Natürlich dann mit ordentlich Schlick an den Füßen, der gehört doch einfach dazu!
– Bastian Sue,
der Löwenseelenkater